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Eine Ahnung aus Danzigvon Hans Krüger und Jürgen Weigle | ||||||||||||||||||
Inhalt: | ||||||||||||||||||
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1. Kurzer historischer Abriß | ||||||||||||||||||
Wasser - egal ob Seen, Flüße oder Meere - ist von alters her der bequemste Beförderunsgweg der Menschen. Und in der Regel auch ein sicherer, wenn man ein wenig Seemanschaft besitzt. Dieses Axiom gilt auch für die Ostsee. Bereits Jordanes, der Historiker und Bischof in Kroton, berichtet im Jahr 560 n. Chr. davon, wie die Goten von Gotland auswanderten, um das Gebiet um die Weichselmündung zu bevölkern. Mehr als 1000 Jahre nach den Goten verstanden rührige Kaufleute in Lübeck das große Potential, welches im Handel mit den Nachbarn lag, und gründeten die Hansa und eine Menge Städte um die Ostsee herum. Man exportierte Salz und Plattdeutsch und importierte Getreide, Holz und Pelze sowie anderes, was man mit gutem Verdienst verkaufen konnte. In rascher Folge entstanden nach Lübeck (1143) die Hansestädte Visby, Danzig, Riga, Rostock, Elbing, Braunsberg und Königsberg. Und viele andere mit ihnen. Von allen diesen Städten hatte Danzig eine besonders gute Lage. Der Hafen lag gut geschützt an der Weichsel zirka 10 Km landeinwärts. Gleichzeitig war der Fluß ein ausgezeichneter Transportweg für Massengüter wie Getreide und Hölzer aus Polen. Bald war Danzig als Handelszentrum genauso bedeutend wie Lübeck. Aus Schweden importierte man unter anderem Osmundeisen, das man in Hammerschmieden bearbeitete und als Stangeneisen (Halbfabrikat) oder als Geräte nach Schweden zurück exportierte. Als diese Geschäfte ihren Höhepunkt erreichten, waren in und um Danzig vierzig Hammerschmieden beschäftigt. Man importierte Pökelheringe, die man ins Inland weiter verkaufte. Man exportierte Getreide, sowohl ungemahlen wie auch als Mehl, da mehrere Länder keine eigenen Mühlen hatten. Der Mehlexport war so lohnend, daß man 1350 an der Radaune die "Große Mühle" baute, die damals die größte Industrie in Europa war und die anfangs von 12 und später von 18 Mühlrädern angetrieben wurde. Das Gebäude maß im Erdgeschoß 41 x 26 m, hatte sieben Stockwerke und eine Gesamtfläche von zirka 5000 Quadratmetern. Sie steht heute noch, jedoch beherbergt sie jetzt ein Einkaufszentrum. Im Jahr 1583 wurden aus Danzig fast 9.000 Tonnen Weizen und über 50.000 Tonnen Roggen von einem Gesamtwert von 41 Millionen Reichsmark ausgeführt. Ende des 15. Jahrhunderts liefen jährlich zwischen 500 und 700 Schiffe den Hafen an. Danzig blühte. Aber es sollten schwere Zeiten kommen. Es fing damit an, daß Sigismund Ende des 16. Jahrhunderts vom schwedischen Tron abgesetzt wurde. Lübeck und Schweden hatten zwar schon früher Danziger Handelsschiffe gekapert, aber diese Übergriffe liefen stets ohne grössere Schäden für Danzig ab. Als der schwedische Admiral Ivar Fleming 1534 vierzehn Danziger Kauffahrteischiffe kaperte, antwortete die Stadt im nächsten Jahr damit, einfach ein Anzahl schwedischer Schiffe einschließlich dem Admiral Fleming persönlich zu kapern. Der schwedische König war gezwungen, die frühere Beute wieder herauszugeben, um seinen Admiral zurückzubekommen. Im Juni 1626 segelte Gustav II Adolf mit 150 Schiffen und fast 15.000 Kriegern gegen Pillau, das in Ostpreußen lag. Ostpreußen war ein Lehen des polnischen Königs an den Kurfürsten von Brandenburg. Die schwedische Flotte wurde von einer gewaltigen Kanonade empfangen - mit blinden Schüssen. Der Kurfürst Georg Wilhelm war der Schwager des schwedischen Königs. Die Ausschiffung verlief ruhig. Gustav II Adolf nahm Pillau als Freund ein. Danach zog das schwedische Heer gegen Danzig. In den darauffolgenden Jahren wurden mehrere Schlachten ausgekämpft: Mewe, Hammerstein, Dirschau, ein Land-See-Schlacht vor Danzig, bei Osterode und schließlich bei Gurzno. 1629 schloß man einen sechsjährigen Waffenstillstand in Altmark. Elbing, Braunsberg, Pillau und die Frische Nehrung fielen für sechs Jahre an Schweden, Marienburg, Stuhm, das Danziger Werder und das Danziger Haupt fielen an Brandenburg. Danzig - das sich nicht ergeben hatte - verblieb eine freie Stadt. Wurde jedoch dennoch hart vom Krieg betroffen. Wie gewöhnlich war der Krieg lukrativ für den Sieger. In Jahr 1634 machten die Seezölle von den Ostseestädten die Hälfte des gesamten schwedischen Haushaltes von 1,6 Millionen Reichstaler aus. Von diesen 800.000 Rt kamen nicht weniger als 570.000 Rt aus Danzig. Und schlimmer sollte es werden. 1657 zerstörte das schwedische Heer die Deiche der Weichsel, so daß das Danziger Werder überschwemmt wurde. 1709 wütete die Pest und 1734 die Russen und die Sachsen in der Umgebung Danzigs. Ende des 17. Jahrhunderts erhöhte die polnische Krone ihre Zölle bis zu über 70 Prozent mit verheerenden Auswirkungen für den Handel Danzigs. Die Schweden veredelten ihr Eisen selbst und in Dänemark, Holstein und Mecklenburg baute man Mühlen und hörte auf, Mehl zu importieren. Während dieser und der folgenden Jahre lebten die Personen, von denen hier berichtet wird. | ||||||||||||||||||
2. Ahne oder Ahnung? | ||||||||||||||||||
Der folgende Bericht handelt von der Herkunft des Geschlechtes Krüger. Der Erzähler ist Stockholmer, so auch sein Vater und zwei nachfolgende Generationen, während sein Großvater in Norrköping geboren war. Sein Urgroßvater war jedoch in Danzig geboren und von dessen möglichen Ahnen handelt diese Geschichte. Der mögliche Ahne hieß Benjamin Ephraim Krüger. Er war Dichter und Pfarrer,1719 geboren. Ist er ein Ahne oder nur eine Ahnung? Wir haben einen neuen Ausdruck für einen unsicheren Ahnen geprägt. Er wurde in den Tagen vor Weihnachten 1719 getauft. Sein Vater war der Kaufmann Benjamin Krüger. Er "erbte" somit den Namen Benjamin. Seine Mutter war Virginia Elisabeth Fahrenheit, die Schwester des Physikers und Erfinders Daniel Gabriel Fahrenheit. Virginias Vater war Kaufmann und es waren somit zwei Kaufmannsfamilien, die sich vereinigten. Wir kommen später auf das Geschlecht der Fahrenheits zurück. Benjamin Ephraim ging in Danzig zur Schule. Es ist unklar, welche Schule er besuchte. Am 18. April 1739 begann er seine höheren Studien in Königsberg, als er sich dort bei der Universität einschreiben ließ. Dort wohnte er bei seinem Onkel Ephraim Fahrenheit. Dieser war in Danzig geboren und arbeitete jetzt in Königsberg. Etwas unvorbereitet erfuhr Benjamin Ephraim, daß sein Onkel aufgrund der Arbeit nach Pillau ziehen würde. Benjamin Ephraim reiste nach Danzig zurück und fing dort an zu studieren. Im direkten Anschluß an die Kirche der Gemeinde Trinitatis lag dort eine Lehranstalt mit gutem Ansehen. Man nannte sie das Gymnasium oder auch das Akademische Gymnansium, weil dort Studien auf Universitätsniveau betrieben wurden. Er immatrikulierte am 1. Juni 1739 und studierte vier Jahre. | ||||||||||||||||||
Zuerst jedoch etwas über Trinitatis. Trinitatis bedeutet Dreifaltigkeit. Der Dreifaltigskeitssonntag ist stets der 1. Sonntag nach Pfingsten oder der 8. Sonntag nach Ostern. In älteren Kirchenbüchern (zum Beispiel aus der Trinitatiskirche in Danzig) findet man manchmal Datierungen wie Dominica XXI p Trinitatis, was dem 21. Sonntag nach dem Dreifaltigkeitssonntag oder dem 22. Sonntag nach Pfingsten des entsprechenden Jahres entspricht. Die Kirche und das Kloster wurden im Jahr 1431 vom Franziskanerorden gebaut. Das Material erbettelten die Mönche, die Arbeit führten Maurer und Zimmerleute unentgeltlich in ihrer freien Zeit aus: "Um Gottes Willen". Nach der Reformation nahm die Anzahl der Mönche drastisch ab und im Jahr 1555 waren sie nur noch drei. Diese übergaben das Kloster und die Kirche an den Senat der Stadt unter der Voraussetzung, daß sie auf Kosten der Stadt weiterhin dort leben durften und daß die Gebäude nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden durften. Im Jahr 1558 wurde so das einzige akademische Gymnasium Danzigs feierlich eröffnet. Dort sollten bis zum Jahr 1813 höhere Studien betrieben werden. | ||||||||||||||||||
Die Kirche ist eine dreischiffige Hallenkirche mit Chor und mit der Kapelle Sancta Anna. Die Hauptkirche mißt 50 x 26 Meter, der Chor 26 x 12 Meter und die Kapelle 24 x 11 Meter. Das Kloster hat die Außenmaße 70 x 50 Meter. Die Gesamtfläche des Komplexes (Kloster, Kirchen, Innenhof und Kräutergarten) umfaßt fast ein Hektar. Unter dem Grundriß ist eine Beschreibung der Verwendung der verschiedenen Räume: | ||||||||||||||||||
Das Gymnasium mit anschliessender Kirche
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In diesem Gymnasium in Danzig studierte Benjamin Ephraim Krüger also vier Jahre. Es gibt ein Verzeichnis über die Immatrikulation an diesem Gymnasium, aus welcher hervorgeht, daß während des 18. Jahrhunderts 14 Schüler mit dem Namen Krüger eingeschrieben wurden. Eingige von diesen gehörten vermutlich zur Familie des Benjamin Ephraim. Nach dem Studium am Akademischen Gymnasium reist Benjamin Ephraim nach Leipzig für das weitere Theologiestudium an der dortigen Universität. | ||||||||||||||||||
3. Theologie oder Verfasserschaft? | ||||||||||||||||||
Hier studierte er Theologie finanziert mit Stipendien seiner Heimatstadt Danzig. Und dann geschah etwas unvorhergesehenes. In Leipzig traf er Herrn Professor Christoph Gottsched und dessen Frau Louise Adelgunde Gottsched. Sie kannte er von seiner Danziger Zeit. Sie war in Danzig als Tochter eines polnischen Arztes geboren und sechs Jahre älter als Benjamin. Der Professsor war in Königsberg geboren und war 19 Jahre älter. Dieser war zu jener Zeit der führende Verfasser und eine Kulturpersönlichkeit innerhalb von Literatur und Dramatik, seine Frau war seine Mitarbeiterin. Der Professor soll einfache und schlechte Volkslustspiele abgesetzt und an deren Stelle französische Dramen aufgesetzt haben. Louise war auch Verfasserin sowie Übersetzerin. Sie war sehr begabt, trat jedoch nicht als selbstständige Kulturpersönlichkeit auf, was damals sich nicht schickte. Unser Student verkehrte fleißig in der Familie und dort bekam er seine Verfasserimpulse. Diese führten dazu, daß er zwei dramatische Schauspiele schrieb: "Mohamet IV" (1744) und "Vitichab und Dankwart, die allemannischen Brüder" (1746). Das erste von diesen wurde auf der Bühne des Professor Gottsched in Leipzig aufgeführt. Diese Schauspiele waren nicht sakral und hatten somit nichts mit seinen Theologiestudien zu tun. Nun, dies sollte Benjamin Ephraim nicht getan haben. Also profane Schauspiele zu schreiben. Folgender Text ist die Abschrift einer Quelle für ein geplantes Buch, dem zweiten Band des Altpreussischen Pfarrerbuches.
Nach dem Erscheinen des ersten Schauspieles zwang sein Onkel ihn nach Wittenberg zu gehen. Den Grund hierfür gibt diese Quelle nicht an. Wir, die Autoren, haben diese Geschehnisse eingehend mit einander diskutieret. Mit größter Gewißheit starb Benjamins Vater, der Kaufmann Benjamin, 1739 oder früher. 1739 schickt die Mutter ihn zu ihrem Bruder in Königsberg, wo Benjamin freien Aufenthalt hat. Als dieser nach Pillau umsiedelt, zieht Benjamin nach Hause. Er bekommt dann ein Stipendium vom Senat für das Theologiestudium in Leipzig. Mit Rücksicht darauf, daß es schwere Zeiten waren nach den Kriegen und Verheerungen, wovon schon berichtet wurde, kann man mit guten Grund von zwei Dingen ausgehen: der Vater ist tot und die Familie lebt in dürftigen Verhältnissen sowie die Familie Krüger gehört zu einem gut angesehenen, alten Patriziergeschlecht mit guten Verbindungen nach "oben", worüber wir noch berichten werden. Andernfalls hätten die Kaufleute, die im Senat sitzen, nicht das tipendium für Benjamins Studien bewilligt. | ||||||||||||||||||
Als Benjamin nun anfängt Schauspiele zu schreiben, wird der Senat verärgert. Während unserer Recherchen fanden wir Löschins "Geschichte Danzigs" von 1823. Dort, im 2. Band, steht auf Seite 190: "Welche sonderbar strenge Begriffe damals über die Würde des Predigtamtes herrschten, sieht man an dem Beispiele des talentvollen Krüger, dem man, als er in Leipzig Theologie studierte, alle seine Stipendien entziehen wollte, weil er - ein Trauerspiel, "Vitichab und Dankwart, oder die allemannischen Brüder" betitelt, (1746) herausgegeben hatte. Nur die Entschuldigung, daß Andere ohne sein Vorwissen die Herausgabe besorgt hätten, erhielt ihm die schon verweigerte Unterstützung." Der offizielle Anlaß dazu, daß der Senat Benjamins Stipendium entzieht, ist, daß er eine Tragödie geschrieben hat, und dazu, daß der Senat den Beschluß zurücknimmt, daß die Tragödie ohne das Vorwissen Benjamins ediert ist. Aber warum muß er dann von Leipzig nach Wittenberg ziehen? Die Tragödie wird ja nicht "ungeschrieben" dadurch, daß er umzieht. Die einzige vernünftige Erklärung dafür, daß der Onkel Benjamin befiehlt, Leipzig zu verlassen, ist, daß Benjamin Ephraim von dem in den Augen des Senates nicht allzu sittsammen Theatervolk und dessen schlechtem Einfluß wegkommen soll. Und vielleicht auch von einem von der Familie nicht abgesegneten Liebeshandel. | ||||||||||||||||||
4. Predigeramt und Familienleben | ||||||||||||||||||
Nach beendigtem Studium kommt Benjamin nach Hause, unterrichtet eine Zeit lang die Gefangenen im Zuchthaus in der Christlichen Lehre, um danach Prediger zu werden in Pröbbernau, das am "Ende der Welt" liegt. Erst sieben Jahre später wird er "befördert" und wird Pfarrer in Weichselmünde. Es ist der Senat, der die Pfarrer bestellt. Und wenn auch die puritanischen Ratsherren Benjamin Gnade erweisen, so gibt es Grenzen hierfür. Einen Predigtstuhl in einer der sieben großen Kirchen der Stadt gibt es für Benjamin nicht. Diesen kleinen, hübschen Kirchenraum gibt es nicht mehr; die Kirche wurde Ende des letzten Krieges zerstört. Benjamin Ephraim heiratete 1755 seine Rosina. Sie bekamen drei Kinder in Pröbbernau und hier kommen nun die Eintragungen im Kirchenbuch: | ||||||||||||||||||
Bei näherem Hinsehen zeigte sich, daß der der Pate Nummer 1 kein geringerer war als der Bürgermeister Christian Gabriel von Schröder, der 1736 Schöppe wurde, 1746 Ratsherre und 1754 Bürgermeister. | ||||||||||||||||||
Und daß der Pate Nummer 1 für das zweite Kind, Abraham Benjamin, ein Johann Ferber war, war noch überraschender. Die Familie der Ferber gehörte zu den angesehensten Patrizierfamilien in Danzig. 1894 schrieb M Toeppen folgendes: " Es gab Anfang des 16. Jahrhunderts in Danzig keine Familie, welche sich den Ferber und Feldstedt an Reichtum und Ansehen zur Seite stellen konnte". Hatte Ferber einen Finger mit im Spiel, als der Theologiestudent sein Stipendium zurückbekam? | ||||||||||||||||||
Pate Nummer 1 der Tochter Constantia Henrietta war Doct. Med. Ephraim Krüger, ein bekannter Arzt in Danzig, der zur Krüger-Familie gehörte. Diese Bilder sind Kopien aus einem Mikrofilm der Mormonen. | ||||||||||||||||||
5. Vaterschaftstheorie | ||||||||||||||||||
Es gibt Anzeichen dafür, daß dieser Benjamin Ephraim der Vater des ältesten, bestätigten Ahnen der Krüger in Stockholm ist: Carl Gottlieb Krüger, Musicus. Diese Anzeichen sollen nun für die Beurteilung der Leser dargelegt werden. Carl Gottlieb ist der Urururgroßvater des einen Autors. Er wurde mit der traditionellen Methode, zuerst in den schwedischen Kirchenbüchern zu suchen, gefunden, in unserem Fall in Norrköping. Dort stand der Geburtstag und daß er in Danzig geboren war. Seine Taufeintragung findet man in der Katharinen Kirche in Danzig und somit auch die Namen der Eltern. Bei der letzten Recherche half EZA (Evangelisches Zentralarchiv) in Berlin, das auch den Namen der Frau und der Kinder mitteilte. Sowie daß Carl Gottlieb ein "Musicus" war. Ein "Musicus", d. h. ein Berufsmusiker, konnte Angestellter der Stadt sein. Er wurde von der Stadt entlohnt und war dazu verpflichtet an Veranstaltungen der Stadt teilzunehmen. Wenn er von der Stadt angestellt war und Schüler unterrichtete, wurde er oft "Meister" genannt. Laut EZA in Berlin hatte Carl Gottlieb nicht in Danzig geheiratet. Daraus folgt, daß er verheiratet nach Danzig zog. Er war mit Anna Elisabeth, geborene Schlüter, verheiratet. Der Zuzug muß irgendwann zwischen 1771 und 1776 erfolgt sein, denn laut dem Staatsarchiv in Danzig ist er nicht im Einwohnerverzeichnis von 1770 zu finden. Es gibt keine Anhalt darüber, von woher sie nach Danzig kamen, aber sie lebten 1776 in Danzig, denn im April dieses Jahres wurde ihr erstes Kind dort getauft. Sie bekamen danach in rascher Folge bis 1783 drei weitere Kinder. Alle vier Kinder wurden innerhalb der Gemeinde von Trinitatis geboren. | ||||||||||||||||||
Die Zeit verstrich und die Kinder wurden erwachsen. Das dritte Kind hieß Daniel Hermann (der Ururgroßvater des Autors) und heiratete 1803 die Anna Maria Vant, mit der er drei Kinder bekam. Diese waren also die Enkel des Musikers. Zwei dieser Taufen sind für unseren Fall von besonderem Interesse.. | ||||||||||||||||||
Aus den Eintragungen für diese beiden Söhne, Carl Ferdinand und Otto Wilhelm, geht hervor, daß der Vater "Zettelträger vom Schauspielhaus" war. Aber die Eintragungen geben auch weitere Auskünfte. Dort steht, daß Johann Bachmann, der Chef des Stadttheaters, Pate bei der ersten Taufe war und seine Frau Charlotta Pate bei der zweiten. Das warf Fragen auf; sie konnten kaum dienstlich Paten sein. Patenschaft übernimmt man aus privaten Gründen. Wo war der Zusammenhang? Konnte es sein, daß der Vater des Zettelträgers, der Musiker Carl Gottlieb, etwas mit dem Theater zu tun hatte und vielleicht seinem Sohn zur Arbeit als Zettelträger verholfen hatte? Diese Überlegungen führten zum nächsten Schritt in den Recherchen. In einem Buch über das Theaterleben in Preußen, vor allem in Königsberg und Danzig, stand, daß der Direktor Johann Bachmann der erste Leiter des Theaters in Danzig nach dessen Einweihung im Jahr 1801 gewesen war. Er war nicht nur der Chef des Theaters sondern auch ein beliebter Schauspieler und Bassist. Er hatte während der französischen Besatzung großen Erfolg mit Opernrollen, als die französischen Offiziere verlangt hatten, man sollte Opern geben. Man sagte, daß er sehr gut aussah und sich auf der Theaterszene "schön bewegte", daß er der Favorit des Publikums gewesen sei. Seine Frau Charlotta stammte aus der bekannten Theaterfamilie Schuch. Beide waren früher Mitglieder einer Theatergesellschaft, die sowohl in Königsberg wie auch in Danzig auftrat. Hierdurch steigerte sich die Verwunderung, daß zwei so bedeutende Personen die Paten der Kinder eines jungen und schlichten Zettelträgers gewesen waren. Gab es einen Zusammenhang zwischen dem Theaterchef und dessen Operngesang und der musikalischen Tätigkeit von Carl Gottlieb? Gab es in dem Theaterbuch irgendeine Beziehung zum namen Krüger? Es gab sie. Im Theaterbuch wird ein gewisser Professor Gottsched erwähnt und dessen Frau Louise Adelgunde, "seine gelehrte Mithelferin", sowie deren Tätigkeit in Leipzig und dort wird auch der Dichter Benjamin Ephraim Krüger erwähnt, der in Leipzig die zwei Schauspiele geschrieben hatte, von denen wir gerade berichtet haben. Er wird in verschiedenen Nachschlagewerken als geschickter Dichter erwähnt. Konnte der Dichter-Pfarrer Benjamin Ephraim der Vater des Musiker Carl Gottlieb sein? Falls dieses der Fall war, müßte Carl Gottlieb schon als Jugendlicher von der Verfasserschaft des Benjamin Ephraim in Leipzig gehört haben. Als Carl Gottlieb nach Danzig kommt, ist es naheliegend, daß er als Berufsmusiker kontakt mit dem Theater aufnimmt. Dieses könnte die Erklärung sein für die Bekanntschaft mit dem Theaterchef und dessen Frau und daß diese in der Folge die Patenschaft für zwei Enkel des Musikers übernahmen. Um beurteilen zu können, ob die Vaterschaft zeitlich möglich war, wurde das Geburtsjahr des Musikers berechnet. Er dürfte um 1745 geboren sein. Es war zeitlich somit möglich, denn der Dichter-Pfarrer war 1719 geboren. Was den Gedanken einer Vaterschaft verstärkt, ist, daß beide künstlerisch tätig waren, der vermutete Vater als Dichter und der vermutete Sohn als Musiker. Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, daß sie Vater und Sohn waren. Während des geschätzten Geburtsjahres von Carl Gottlieb war der Theologiestudent Benjamin Ephraim damit beschäftigt, Schauspiele zu schreiben und in den kulturellen Kreisen in Leipzig umzugehen. Benjamin Ephraim kann eine "Dichterliebe" in Leipzig gehabt haben und der Musiker kann dort geboren sein. Wenn der Musiker der Sohn eines zukünftigen Pfarrers war, hatte die Mutter ihm sicher den Namen des Vaters genannt. Als der Musiker nach Danzig kam, war aus dem Dichter ein Pfarrer geworden, der drei Kinder hatte. Das älteste, geboren 1755, war zirka 20 Jahre alt. Es gab Anzeichen, die darufhin deuteten, daß der Pfarrer wirklich der Vater des Musikers war. | ||||||||||||||||||
Die ersten Zeichen gab es in den Taufeintragungen der Kinder des Musikers und seiner Frau. Das erste Kind war ein Sohn, der bei der Taufe im April 1776 den Namen Benjamin erhielt. Dieses war ein traditioneller Name in der Familie des Pfarrers. Der Pfarrer hieß so, dessen Vater, der älteste Sohn hatte den Namen als ersten Vornamen und der zweite Sohn als zweiten Vornamen. Es scheint, daß der Musiker hiermit deutlich markieren will, daß seine Söhne zur "Familie" gehören. Dieses sind recht deutliche Zeichen. Es erscheint nicht glaubwürdig, daß ein völlig Außenstehender versuchte, so der Namengebung der Kinder des Pfarrers nachzueifern. Wir kehren zu den Taufen der vier Kinder des Musikers zurück. Dort steht, daß er "Meister auf dem Langgarten" war und bei dem Namen seiner Frau steht "geb. Schlüter", d. h. ihr Geburtsname. Meister kommt von Magister, d. h. Lehrer, und muß hier so gedeutet werden, daß er Lehrer an der Schule auf Langgarten, einer Vorstadt von Danzig, gewesen war und daß er, da er Musicus war, dort Musik unterrichtete. Bezüglich der Ergänzung mit dem Geburtsnamen der Frau verhält es sich so, daß es einen berühmten Bildhauer und Architekten namens Schlüter gab, geboren um 1660 in Danzig und gestorben 1714 in Petersburg. Dieser heiratete eine Anna Elisabeth Spangenberg, mit welcher er fünf Kinder bekam. Es war offensichtlich wichtig für der Musiker, seine Stellung hervorzuheben, d. h. daß er als Lehrer an der Langgartenschule Angestellter der Stadt war. Lehrer waren gut und sicher besoldet. Der Name Schlüter war auch fein. Der Musiker hatte offenbar diese Ergänzungen des ursprünglichen Eintrages verlangt. Sie sind in der selben Handschrift und auf die gleiche Weise geschrieben, sie sind später als der Originaltext geschrieben, wahrscheinlich zur gleicher Zeit. Es war nicht gewöhnlich, daß man solche Ergänzungen machte, so dem Musiker muß sehr daran gelegen haben. Wir wissen nicht den Anlaß, aber man muß vermuten, daß es seine Absicht war, hiermit die Möglichkeiten zu verstärken, als Sohn des Pfarrers akzeptiert zu werden. Es sind diese Zeichen, die darauf hindeuten, daß der Musiker der Sohn des Pfarrers gewesen sein kann - auf jeden Fall, daß er davon überzeugt war, daß dieses der Fall sei. | ||||||||||||||||||
Wir kehren zum Pfarrer Benjamin zurück. Wie bereits berichtet, hatte er einen Onkel, der Ephraim Fahrenheit hieß. Die weiteren Recherchen über seine Mutter führten zu dieser Ahnentafel: Die Familie Fahrenheit soll aus Hildesheim stammen und über Rostock nach Königsberg gekommen sein. Benjamins Urgroßvater zog 1650 nach Danzig. Sowohl der Urgroßvater wie auch der Großvater waren Kaufleute. Daniel Fahrenheit und Concordia Schumann bekamen zehn Kinder, von welchen fünf die Kindheit überlebten, zwei Söhne und drei Töchter. Daniel und Concordia starben am gleichen Tag an einer Pilzvergiftung. Daniel Gabriel wurde nach Amsterdam geschickt, um Kaufmann zu lernen. Er wurde Physiker. Er wurde auch Mitglied der Royal Society in London. Er starb 1736, arm und ohne Kinder. Aber er lebt weiter in der uns ungewohnten Temperaturskala Fahrenheit, die noch heute von Hunderten von Millionen von Menschen angewandt wird. Virginia Elisabeth Farenheit, die Mutter von Benjamin Ephraim, heiratete Benjamin Krüger. | ||||||||||||||||||
6. Mehrere Generationen | ||||||||||||||||||
Zurück zu Krüger. Im Buch "Der Sankt Marien Pfarrkirchen in Dantzig inwendige Abriss", 1999 von der Ferber-Stiftung herausgegeben, wird eine Handschrift aus dem Jahr 1698 von Gregorius Frisch wiedergegeben und kommentiert . Frisch war seit 1679 Glöckner an der Marienkirche gewesen. In diesem Buch findet man folgendes Faksimile (Ausschnitt) der Seite 35 in der Handschrift: | ||||||||||||||||||
"Urban Krüger Anno 1674". In einer Fußnote wird berichtet, daß die Grabestelle 1674 zwischen der Witwe und einem Sohn gleichen Namens (1632-1706) aufgeteilt wurde. In einem Buch von Dorothea Weichbrodt mit dem Titel "Patrizier, Bürger, Einwohner der Freien und Hansestadt Danzig in Stamm- und Namenstafeln vom 14.-18. Jahrhundert" gibt es mehrere Äste des Geschlechtes Krüger. Wenn man den Ast, der unseren Fall betrifft, ins Reine schreibt, erhält man folgendes Bild: | ||||||||||||||||||
Die Krügersche Grabstelle in der Marienkirche deutet darauf hin, daß die Krügersche Familie nicht nur reich sondern auch in Danzig wohl angesehen und gut etabliert war, denn anders hätte Urban kaum die Grabstelle in der Marienkirche kaufen können. Der Dichter-Pfarrer hatte fünf Generationen Ahnen ab 1575. Sind diese auch die Ahnen der Familie Krüger in Stockholm? Das hängt davon ab, ob der Pfarrer wirklich der Vater von Carl Gottlieb war, dem Musicus und "Meister auf Langgarten". Der Musiker war laut oben angeführter Theorie der uneheliche Sohn des Pfarrers. Aber er war ein richtiger Ahne des Krüger-Astes in Stockholm! Kann man umgekehrt sagen, daß der Pfarrer Benjamin Ephraim der "uneheliche Vater" des Musikers war? Kann ein solcher auch ein Ahne sein? | ||||||||||||||||||
Die Angaben über den Vater des Pfarrers sind dokumentiert so wie auch, daß sein Bruder Johann hieß. Das paßt zu Johann Constantin. Hieraus folgt, daß die beiden Brüder Söhne des Constantin Krüger, getauft am 8. Dezember 1664, waren, der dokumentiert Sohn des "Urban III" war. Die Männer mit dem Namen Urban bilden eine Kette, die "Urban-Kette". Die drei, mit dem Namen Constantin sind die "Constantin-Kette" und die vier mit dem Namen Benjamin bilden die "Benjamin-Kette". Diese zusammenhängende Ganzheit tritt noch mehr hervor, als der Pfarrer seine Tochter Constantia Henrietta tauft. Es scheint, als sei dies eine Huldigung an seinen Großvaters Constantin. Er überging damit offenbar sowohl den Namen seiner Mutter wie auch den seiner Frau. Als der Musiker Carl Gottlieb eine Tochter bekommt, tauft er sie Carolina Henrietta nach seiner vermuteten Halbschwester. | ||||||||||||||||||
7. Über die Autoren |
Hans Krüger wurde 1920 in Stockholm geboren. Nach abgeschlossenen Studien am Frans Schartau Handelsinstitut arbeitete er in der Daten- und IT-Branche. Seit seiner Pensionierung ist er fleissiger Familienforscher. | Jürgen Weigle wurde 1930 in der damaligen Freien Stadt Danzig geboren, floh 1945 nach Lübeck und wanderte 1954 nach Schweden aus. Ehemaliger Geschäftsführer, jetzt fröhlicher Amateur auf dem Gebiet der Familien- und Geschichtsforschung. |
Copyright © 2005 Hans Krüger und Jürgen Weigle.