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Die Spur der Schwedenknöpfe


Über die Aktion „Weiße Busse“ des Schwedischen und des Dänischen
Roten Kreuzes sowie des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes
zur Befreiung von Häftlingen in den letzten Kriegswochen 1945 aus
deutschen Konzentrationslagern

Was ein kleiner Fund alles zu sagen hat – eine Zusammenstellung
von Peter Wellbrock, Stade

Die Geschichte liegt lange zurück. Im Jahre 1970 fand ich bei einer Exkursion der Arbeitsgruppe Ur- und Frühgeschichte Neustrelitz (Mecklenburg) überraschend in einem forstlichen Pflanzgarten an der damaligen F 96 nahe Strelitz-Alt drei identische Uniformknöpfe. Sie ließen sich auf Grund ihrer heraldischen Gestaltung - drei im Dreieck angeordneten Adelskronen - dem Königreich Schweden zuordnen. Auf der Rückseite stand, rund um die kräftige Öse eingestanzt, die Adresse des Herstellers C.C. SPORRONG < CO. STOCKHOLM. Also ein recht aussagekräftiger „Steckbrief“. Gern hätte ich aber noch mehr gewusst, zum Beispiel darüber, warum und wie schwedische Uniformknöpfe hier in den Wald bei Neustrelitz gelangt sind. Und ließ sich die Spur der Knöpfe aus den mecklenburgischen Wäldern eventuell bis nach Schweden nachweisen? Welche Soldaten trugen einst Uniformen mit derartigen Knöpfen? Einige Regionalforscher, denen ich die Knöpfe zeigte, waren ebenso ratlos wie ich. Es gab auch Zweifel an der Bedeutung des Gegenstandes für die regionale Forschung. Hatte der Fund vielleicht nur eine ganz banale Ursache?

Nachweis unmöglich

Abb. 1  Knopf Einen historisch versierten Schweden konnte man leider nicht fragen. Dabei liegt Schweden geografisch ganz nahe. Doch für einen DDR-Bürger, der mal eben über die Westgrenze hinaus etwas erforschen wollte, war diese Grenze bis 1989 unüberbrückbar. Offiziell gab sich die DDR-Führung zwar weltoffen und zeigte Sympathie für das skandinavische Land wegen dessen ausgleichender Rolle im Ost-West-Konflikt. Der Versuch, privat Forschungskontakt nach Schweden aufzunehmen, wäre jedoch dem DDR-Regime höchst verdächtig gewesen, die Staatssicherheit hätte sofort Geheimnisverrat und Spionage gewittert. Auch Schweden gehörte nach dem Verständnis der DDR-Ideologen letztlich zum Lager des Klassenfeindes. Meine Fragen blieben lange über die Wendezeit 1989 hinaus unbeantwortet. Die Knöpfe und damit auch die Fragen waren fast in Vergessenheit geraten. Eines Tages, als ich aus bestimmtem Anlass – einer Reise zum Kongress der schwedischen Genealogen (Föreningen G-Gruppen) - danach suchte, fand ich nur noch einen einzigen in einer Schublade vor. Dieser muss nun – pars pro toto – für die anderen stehen.

Rätselraten

Abb. 1  „Haus der Humanität“ Forschung nach der Herkunft der Knöpfe wäre auch nur sinnvoll gewesen, wenn man Kenntnis über die Aktion „Weiße Busse“ im Frühjahr 1945 gehabt und entsprechende Schlüsse gezogen hätte. Das war keineswegs der Fall. Ich vermutete anfangs, dass sie von der alten Uniformjacke eines schwedischen Studenten stammten, der irgendwann vor oder nach dem 1.Weltkrieg am Technikum in Alt-Strelitz studiert hatte. Diese Fachschule für Bauwesen erfreute sich einst eines regen Zuspruchs ausländischer Studenten, darunter auch aus Schweden und Polen. Durch Anzeigen in ihren Landeszeitungen wurden sie regelmäßig auf dies Institut aufmerksam, an dem keine Aufnahmeprüfung verlangt wurde. Wer nicht so begütert war, trug eben seine alte Militärjacke, wie oft in Nachkriegszeiten.

Die abgetragene Uniform des schwedischen Studenten war nach Studienabschluss vielleicht im nahen Wald oder am Waldrand mit anderem Müll „entsorgt“ worden… Auch heutzutage soll das leider vorkommen. War es so oder doch ganz anders? Irgendeinen Grund musste es doch für den Knopffund in diesem Waldgebiet, dicht an der großen Straße nach Berlin, geben! Erst Jahrzehnte später wurden die wahren Zusammenhänge offenbar.

Der letzte Soldat 1814

Man kann zwar manches über schwedische Armeen nachlesen, die in dieser Gegend operiert hatten. Aber das war meist Jahrhunderte her. So alt wirkten die Knöpfe auch nicht. Die Suche in Lexika ergab folgendes: Schwedisches Militär weilte in Nordostdeutschland seit dem Eingreifen Schwedens in den 30jährigen Krieg, beginnend mit der Landung an der Odermündung 1630. Dann im Großen Nordischen Krieg (1700/1721), in dem Schweden, Russland, Polen und Dänemark um die Vorherrschaft im Ostseeraum kämpften. Es folgen Schwedens Teilnahme am Siebenjährigen Krieg gegen Preußen (1757/62) und letztlich der Sieg über Napoleon in der Völkerschlacht von Leipzig (16.—19.Oktober 1813). Die französische Armee wurde von der Koalition aus Preußen, Russland, England, Schweden und Österreich geschlagen. Dies war dann die letzte schwedische Beteiligung an einem Krieg in Europa! Im Frühjahr 1814 zogen die Verbündeten in Paris ein. Napoleon musste abdanken und wurde auf die Insel Elba verbannt.

Nach 1814 hat also kein schwedischer Soldat deutschen Boden mehr betreten – und konnte keinen Knopf in den Wäldern Norddeutschlands verlieren.

Bernadotte-Aktion

Abb. 3  Graf Folke Bernadotte März/April 1945: Die damalige Situation kurz vor der völligen Niederlage Hitlerdeutschlands kann man in vielen Darstellungen nachlesen. Manche Ereignisse sind jedoch, wie schon bemerkt, kaum im öffentlichen Gedächtnis haften geblieben. Dazu gehört die gemeinsame Hilfsaktion „Weiße Busse“ bzw. „Bernadotte-Aktion“ des Schwedischen, des Dänischen und des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK, mit Sitz in der neutralen Schweiz). Die Rettungsaktion verlief entsprechend den beiderseitigen Vereinbarungen in nahezu völliger Geheimhaltung. Selbst nach Kriegsende fand sie in der Öffentlichkeit nicht die entsprechende Aufmerksamkeit. Der Krieg war endlich aus, und nun ging es den Menschen vor allem um die Sicherung ihrer grundlegenden Lebensbedürfnisse, um Wohnung und Ernährung, um den Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft. Viele Menschen wollten vom Thema „Krieg“ nichts mehr hören und sehen.

Dabei war die Aktion „Weiße Busse“ eine bewegende Demonstration der Menschlichkeit, in der Finsternis des grausamsten aller Kriege der Menschheit. Es gab und gibt auch kritische Stimmen, denen die Aktion nicht weit genug ging oder die bittere Zugeständnisse, z.B. in Transportfragen, ablehnten. So bedauerlich und schmerzlich das auch war, muss man eines bedenken: Wer sich zu Gunsten der Menschlichkeit mit einem Aggressor auf Verhandlungen einlässt, muss notgedrungen auch Kompromisse eingehen, um sein Ziel zu erreichen. Unsere „Spur der Schwedenknöpfe“ kann nur ansatzweise auf dies große, bedeutende Thema eingehen. Im Vordergrund stehen Augenzeugenberichte von Teilnehmern der Weisse-Bus-Aktion in den letzten Kriegswochen 1945. Mitglieder der schwedischen Föreningen G-Gruppen übersetzten Tagebücher von Augenzeugen, Zeitungsberichte, Info-Texte und fotografierten das Weisse-Bus-Denkmal im „Haus der Humanität“ in Malmö. Für das Denkmal auf dem Marktplatz mit der Bronzetafel auf dem Granitstein hatten norwegische Widerstandskämpfer gespendet.

Fragen ohne Antwort

Einzelne Knöpfe gehen immer mal verloren, sie reißen ab und müssen ersetzt werden, um ihren Zweck zu erfüllen. Die drei Knöpfe waren anscheinend zugleich von einer Jacke oder einem Mantel entfernt worden, denn sie lagen damals dicht beisammen vor mir auf der Erde. Wer macht so etwas scheinbar Unsinniges und eignet sich eine knopflose Jacke an? Das ist nicht nachvollziehbar. Vermutlich wurden die Knöpfe zeitgleich abgetrennt. Jahrzehnte später, auf ihrem Kongress 2007, rekonstruierten die schwedischen Forscher den eventuellen Ablauf: Der „Täter“, der die Jacke fand, wollte nicht als Dieb einer schwedischen Uniformjacke, als Leichenfledderer, erkannt werden. Es hätte ja Fragen nach dem Besitzer der Jacke geben können. Möglicherweise handelte es sich um einen verletzten oder gar getöteten schwedischen Begleiter der „weißen Busse“. Das Personal setzte sich bei den Fahrten zu den Konzentrationslagern im Kriegsgebiet Deutschland großen Gefahren aus. Wie es sich tatsächlich zugetragen hat, wird wohl nie ermittelt werden können. Hier muss es bei Vermutungen bleiben, aber es gibt wahrscheinlich einen Zusammenhang mit den Attacken alliierter Tiefflieger. Augenzeugen schildern Angriffe auf Fahrzeuge aller Art, ob gegen Militär oder Flüchtlinge. Dies gehörte zum grausamen Geschehen des nahen Kriegsendes, in dem es kein Abwägen nach moralischen Gesichtspunkten gab. Auch das Symbol des roten Kreuzes an und auf den Fahrzeugdächern schützte nicht verlässlich vor Beschuss.

Die weißen Busse

Abb. 4  „weiße Bus“ Abb. 5 u. 6  „weiße Bus“ Als sich mir im Sommer 2006 die Gelegenheit bot, an dem bereits erwähnten Kongress von Familienforschern der Föreningen G-Gruppen in Stockholm teilzunehmen, zeigte ich dort meinen Schwedenknopf. Ort und Umstände seiner Auffindung fanden sofort Interesse. Das Thema “Schweden in Deutschland – Deutsche in Schweden“ ist ein Forschungsschwerpunkt für den Verein, haben doch die schwedischen Geschichts- und Familienforscher vielfach deutsche Wurzeln und umgekehrt. Sie wollten nun ergründen, was es mit dem Schwedenknopf aus Mecklenburg auf sich hätte. Den überließ ich ihnen gern für ihre Nachforschungen. Hier, auf der Konferenz in Stockholm, erfuhr ich selber zum ersten Mal etwas über die Aktion der „Weißen Busse“ des Schwedischen, des Dänischen und des Internationalen Roten Kreuzes zur Rettung von KZ-Häftlingen. Am Rande der Konferenz diskutierten wir über die reale Fundsituation in Nordostdeutschland, in der Nähe von einstigen Konzentrationslagern der SS (Ravensbrück, Sachsenhausen). Man wollte weiterforschen, die Informationen, die im Knopf selber steckten, ergründen. Ließ sich die „Spur der Knöpfe“ von hier über den Öresund bis nach Schweden verfolgen?

Die unbekannte Aktion

Von einer Aktion des Schwedischen und des Internationalen Roten Kreuzes zur Befreiung von KZ-Häftlingen hatte man in der DDR nie gehört - oder durfte dort nichts darüber weitergeben. Auch wenn die Aktion vielleicht jemandem bekannt war, durch Gespräche oder eigenes Erleben, so war es sicher nicht ratsam, darüber zu sprechen. Es gab nur eine Deutungshoheit für Geschichte, und das war die einseitige, ideologisch geprägte Sichtweise der DDR-Historiker. Darin hatte die Aktion des Schwedischen und Internationalen Roten Kreuzes keinen Platz, weil von westlichen Ländern bzw. Organisationen ausgehend. Anders kann ich mir das Verschweigen dieser humanistischen Tat nicht erklären. Allerdings hatte die Geheimhaltung vor Kriegsende 1945 auch in anderen Ländern ihre Folgen. Die verdiente Aufmerksamkeit durch eine breite Öffentlichkeit blieb weiter aus.

Wer erinnert sich?

Nur wenige Einwohner der Orte, die von den schwedischen und Internationalen Rot-Kreuz-Fahrzeugen passiert wurden, werden sich später an die weißen Busse erinnert haben. Die Situation war in der Endzeit des Krieges derart bedrohlich, dass wohl niemand vor seiner Haustür stand, um sich den Bus-Konvoi der Schweden anzusehen und etwa nach dem Woher und Wohin zu fragen… Es war die Endzeit des Krieges, in der sich alles Schreckliche noch einmal potenzierte, wo es um das nackte Überleben ging. In den Fahrzeugen befanden sich zur Abschirmung auch Himmlers Gestapo-Leute, die Kontakte zur Zivilbevölkerung, etwa Gespräche mit den befreiten Häftlingen, verhinderten. Im Vordergrund stand für die Menschen die eigene Unversehrtheit und die Sicherstellung der täglichen Nahrung. Viele Einwohner hatten ihre Häuser verlassen und waren in die Wälder oder gleich weiter gen Westen geflüchtet, verstärkt in den letzten Tagen vor dem Einmarsch der Sowjetarmee.

Sporrong

Abb. 8 Knopf Abb. 7 Uniform Nach einiger Zeit erhielt ich die Mitteilung der schwedischen Forscher, dass es den Knopfhersteller C.C.SPORRONG in Stockholm noch heute gibt. Es ist ein in Skandinavien bekannter Betrieb, der eine breite Palette “from Buttons to Brands“ (von Knöpfen bis Markenzeichen) anbietet.

Die Stockholmer Forscher fanden in einem Uniformreglement der schwedischen Wehrmacht (UniR FM) eine mit dem „Mecklenburger“ Schwedenknopf identische Abbildung. In der durch „Föreningen G-Gruppen“ erbetenen Expertise der Firma SPORRONG (siehe auch Anlage) heißt es: „Es sieht aus, als wenn es ein Knopf m/39-60 in Silber ist, der noch immer von Livgardet, T2 und Livgrenadjärsgruppen verwendet wird.

Die Abkürzungen und schwedischen Truppenbezeichnungen in der Beschreibung bedeuten:
m/39-60= Modelljahre 1939-1960
Uniformknopf= Durchmesser 22 mm
Livgardet= Leibgarde, Norrlands trängbataillon
T2= Trainregiment 2 in Häsleholm
Livgrenadjärer= Leibgrenadiere

Der Knopf ist für die Uniformen ab 1939 hergestellt worden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit befand er sich an einer Jacke, die ein schwedischer Begleitsoldat während der Aktion der weißen Busse in Deutschland im März/April 1945 bei Neustrelitz trug“.

Symbol missbraucht

Der ganze Luftraum wurde damals von alliierten Tieffliegern beherrscht. In einigen Fällen wurden die Rot-Kreuz-Busse beschossen, denn in dem immer schmutziger werdenden Krieg konnte niemand - auch kein Pilot - wissen, unter welchen Tarnungen sich fanatische SS-Männer und deutsche Wehrmachtssoldaten absetzten und das internationale Symbol des Roten Kreuzes für ihre eigenen Fahrzeuge missbrauchten. In diesem Zusammenhang ein Zitat aus einer neueren Darstellung der Vorgänge:

Sune Persson: „Vi aaker till Sverige. De vita Bussarna 1945“, 2002,544 Seiten:
Seite 181: Am 5.März 1945, kurz vor Beginn der Rettungsaktion, hatten die Briten zugesagt, dass ihre Flugbehörden Instruktionen erteilen sollen, Angriffe auf schwedische Rot-Kreuz-Kolonnen zu vermeiden. Der endgültige Bescheid vom 8.März (am selben Tage, als das Kommando den Marschbefehl erhielt) lautete, dass die britische Regierung prinzipiell mit den Rot-Kreuz-Aktionen einverstanden war, aber dass man keine Garantien für ihre Sicherheit geben konnte („unable to give a safe-conduct“) sowie gezwungen war, mitzuteilen, dass die Schweden, die sich auf deutsches Gebiet und auf von Deutschland kontrollierte Territorien begaben, dies auf eigenes Risiko taten.

Sven Frykman in „Röda korsexpeditionen i Tyksland“, 1945, 138 Seiten:
Seite 135: Früh am Morgen des 20.April verließ die schwedische Kolonne Padborg (dänische Grenzstadt), um über Lübeck und Wismar ostwärts nach Ravensbrück zu fahren. Hauptmann Folke traf sich mit der Kolonne in Lübeck und führte sie von dort nach Ravensbrück. Die alliierten Jagdflieger wüteten jetzt wild entlang der Straßen in der Nähe von Lübeck, aber die Kolonne hatte Glück und wurde keinem Beschuss ausgesetzt… Seite 136: Der Kommandant (des KZ Ravensbrück) kam aus seinem Dienstzimmer, offensichtlich recht nervös. Er teilte mit, dass die Russen nördlich von Oranienburg ständen, lediglich 25 km vom Lager. Der Kommandant erklärte, dass die Beladung sofort geschehen sollte und dass die Kolonnen bereits am selben Abend Ravensbrück verlassen müssen, da die Russen jede Minute eintreffen konnten…
Majlis Eickstedt-Peterswaldt: “Bro över mörka vatten“ („Aus dem Reich der Toten“), 1945, 210 Seiten:
Seite 192: Tiefflieger waren jeden Tag tätig und fast ohne Unterbrechung. Eines Tages sollten wir sie zu spüren bekommen. Die Offiziere, Doktor Arnoldsson, Pfarrer Hellquist, Monsieur de Blonay und ich saßen alle in der Expedition und hatten eine Besprechung, als die Tür aufgerissen wurde. Ein amerikanischer Soldat, Fahrer beim Internationalen Roten Kreuz, kam hereingestrauchelt und meldete, dass Leutnant Hallquists Kolonne aus Ravensbrück außerhalb von Schwerin unter Beschuss geraten war…
Seite 193: Ein Glück im Unglück war, dass der Angriff in der Nähe von Schwerin erfolgt war, wohin viele hervorragende Gehirnspezialisten evakuiert waren…

Åke Svenson: „De vita bussarna“, 1945, 145 Seiten.
Seite 115: Am Anfang suchten wir unsere Route nahe der Ostseeküste über Wismar und Sternberg. Von dort fuhren wir auf kleineren Straßen nach Südosten, am Plauer See, Kölpin-See und der Müritz vorbei. Wie gewöhnlich in diesen letzten Wochen war die Fahrt sehr anstrengend, mit ungeheurem Gedränge auf der Landstraße und mit lebhafter Tiefflieger-Tätigkeit. Als wir in Neustrelitz auf die große Straße nach Berlin gekommen waren, wurde es besonders schwierig. Die Flucht aus der Hauptstadt war in vollem Gange, Truppen und Zivile drängten sich auf den Straßen. Alle schienen verzweifelt zu sein und keiner hatte Lust, einer ausländischen Kolonne Platz zu machen, die in entgegen gesetzter Richtung fuhr.
Bei der Ankunft in Ravensbrück erwartete uns die Nachricht, dass die Russen die Straßen nach Berlin abgeschnitten hatten. Oranienburg war gefallen und auch Nassenheide nördlich davon…
Seite 118: Folke verließ uns, um im voraus nach Lübeck zu fahren, während Danziger und Rittmeister Ankarcrona im KZ-Lager (Ravensbrück) blieben. Sie sollten weitere Transporte vorbereiten, die man unter dem Befehl von Hallquist und Doktor Arnoldsson organisierte. Wir ließen einen Lastwagen zurück, damit sie, falls erforderlich, fliehen konnten.
Selbst fuhr ich mit der Kolonne ab. Ich wählte den gleichen Weg, wie auf der Hinfahrt. Der Andrang und die Unordnung auf den Landstraßen war womöglich noch schlimmer als am Tag zuvor…
Seite 129: Gegen 3 Uhr am Nachmittag kam die Kolonne endlich auf den Weg…
Seite 131: In der kleinen Stadt Waren nordwestlich von Ravensbrück war die Panik unbeschreiblich. Das Gedränge auf der Hauptstraße war so groß, dass der Verkehr völlig still stand und wir über eine halbe Stunde weder vorwärts noch rückwärts kamen…

Hans Arnoldsson: „Natt och dimma“(Nacht und Nebel), 1945, 195 Seiten.
Seite 121: Jetzt war von dem Programm nur noch eine Aufgabe übrig, der Transport von etwa 1000 weiblichen Gefangenen von Ravensbrück, dem großen Frauenlager ca. 90 km von Berlin. Es zeigte sich, dass dies das gefährlichste Unternehmen während unserer gesamten Tätigkeit werden sollte…
Seite 125: Alle übrigen Gefangenen sollten in Marsch gesetzt werden nach Malchow, einem Unterkommando 60 Kilometer westlich von Ravensbrück, wo sich vorher 2000 der Frauen befunden hatten…
Seite 134: So verließ Hallquists Kolonne Ravensbrück auf einer Fahrt, die für viele die letzte werden sollte…
Seite 135: Am nächsten Tag traf das Unglück ein. Die Kolonne war auf Grund des Andrangs auf den Strassen in zwei Gruppen eingeteilt worden. Die eine nahm den Weg über Wismar und die andere über Schwerin. Gegen 14 Uhr wurde diese 15 km westlich von Schwerin angegriffen. Der Fahrer Ringman, ein kanadischer Fahrer und fünf Frauen wurden sofort getötet. 16 Personen, unter diesen Leutnant Hallquist, wurden schwer verwundet. Gleichzeitig wurde die andere Gruppe bei Wismar beschossen, wobei vier Personen getötet und zehn ernsthaft verletzt wurden…
Seite 136: Sobald ich von dem Ereignis erfuhr, begab ich mich mit Paul de Blonay zum Unglücksort, wo wir den Verwundeten erste Hilfe gaben und ins Krankenhaus nach Schwerin transportierten. Die Frauen hatten während des Fliegerangriffs große Beherrschung und Geistesgegenwart gezeigt. Jetzt saßen sie bedrückt im Wald, ihr Schicksal beklagend. Leutnant Hallquist lag im Straßengraben, ausgeplündert von Flüchtlingen, die glaubten, dass er tot sei. Seine Tagebuch wurde neben ihm gefunden.
Seite 137: Am selben Tag, an dem die Unglückskolonne ihr Schicksal ereilte, führte Leutnant Svensson einen zweiten Transport durch und kam ohne Missgeschick mit fast tausend Frauen nach Dänemark. Mit diesem Transport war die Tätigkeit des Rot-Kreuz-Kommandos in Deutschland beendet…

Leutnant Gösta Hallquist schilderte die persönlich erlebte Situation ähnlich:
24.April 1945: Mit meinem LKW in Führung und Erik Ringman als Fahrer fährt die Kolonne nach Ravensbrück. Tausende Frauen stehen auf der Landstraße vor dem Lager, als wir ankommen…Sobald wir geladen haben, fahren wir los…Wir fahren nach Westen und Nordwesten und versuchen, so schnell wie möglich voranzukommen. Als es dunkel wird, wage ich nicht, weiter zu fahren, um nicht das Leben der Frauen zu riskieren…Wir suchen also einige Stunden in der Nacht Schutz neben der Straße…Dann und wann werden wir überflogen. Nicht weit von uns finden Kämpfe statt, sowohl in der Luft als auch auf der Erde, im Westen und Osten…

Der schwarze Tag

Am Nachmittag des 25.April 1945, als Major Frykman, Hauptmann Folcke, Doktor Arnoldsson sowie der Chef des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, Paul de Blonay, die Pläne für die weitere Arbeit erstellten, meldete ein amerikanischer Fahrer, dass die Kolonne des Leutnants Hallquist während eines Rettungstransportes mit Gefangenen aus Ravensbrück beschossen worden war…Leutnant Hallquist lag in einem Graben, fast ganz nackt, ausgeplündert von Flüchtlingen, welche meinten er sei tot.
(Auszug aus "Röda-kors-expeditionen till Tyskland" von Sven Frykman)

Gedenkstätte Malmö

Abb. 9 Denkmal „Kungen tar emot vitabus-monument i Malmö“ (Der König nimmt das Geschenk entgegen), unter dieser Schlagzeile berichtete die schwedische Zeitung „Sydsvenska Dagbladet“ am 30.September 2007 über die Einweihung einer Gedenkstätte in der Hafenstadt Malmö zur Erinnerung an die Weiße-Bus-Aktion. Hier legten einst im März/April 1945 die Fähren mit den weißen Bussen nach Kopenhagen zur Weiterfahrt nach Deutschland ab. Und in dieser Stadt kamen auch die Fähren mit den befreiten Menschen an. Norwegische Überlebende aus den deutschen Konzentrationslagern haben in Malmö die Einrichtung der Gedenkstätte initiiert und finanziert. Der schwedische König Carl XVI. Gustav bedankte sich für das Geschenk der Norweger und würdigte damit alle Helfer unter dem Kommando von Graf Folke Bernadotte.
In der Ausstellung informiert eine Broschüre des Schwedischen Roten Kreuzes in Text und Fotos sowie einem Routenplan über die Aktion „Weiße Busse“ im „Haus der Humanität“ Malmö. Diesem Heft sind auch folgende Darstellungen entnommen:

Die Rettungsaktion

Während der letzten Monate des zweiten Weltkrieges wurden ca. 15500 Menschen aus deutschen Konzentrationslagern und 1500 schwedische Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit, mit ihren Kindern, gerettet und nach Schweden gebracht.

1944 schien der Krieg dem Ende zuzugehen, und die Unruhe war groß, was mit den in deutschen Lagern internierten Skandinaviern geschehen würde. Hitler hatte befohlen, dass alle Lager in die Luft gesprengt und die Gefangenen getötet werden sollten, als sich die Front näherte. In Norwegen, Schweden und Dänemark wurde vage über eine Rettungsaktion gesprochen, jedoch war man sich noch nicht über das „Wie“ schlüssig. Das dänische Auswärtige Amt hatte Erlaubnis erhalten, Lebensmittelpakete an Gefangene in die Lager zu schicken und kleinere Gruppen zurückzuführen. Während des Sommers 1944 begann die norwegische Botschaft in Stockholm, Aufenthaltsort und Anzahl der skandinavischen Gefangenen in den KZ zu registrieren und deren Rückführung in die Heimat vorzubereiten. Der norwegische Professor Didrik Arup war hierbei von großer Hilfe. Er war zuvor in einem KZ gefangen gewesen und saß jetzt zusammen mit anderen Norwegern in deutschem Hausarrest in Groß Kreutz südwestlich von Potsdam. In Stockholm war der norwegische Botschafter Niels Christian Ditleff, der eine Schlüsselstellung in der Rettungsaktion der weißen Busse einnehmen sollte, federführend. Die Verbindung Ditleffs zu dem dänischen Konteradmiral Carl Hammerich führte dazu, dass die vorherigen Pläne, die norwegischen Gefangenen zu retten, erweitert wurden und die Rettungsaktion auch die dänischen Gefangenen einschloss.

Der Beginn

Die norwegisch-dänischen Pläne wurden dem schwedischen Auswärtigen Amt UD (=Utrikes-Departementet) übermittelt, in welchem Außenminister Christian Günther stark engagiert war. Im Februar 1945 genehmigten das UD und Außenminister Günther eine schwedische Rettungsaktion. Sie sollte unter Leitung des schwedischen Roten Kreuzes mit Graf Folke Bernadotte als Chef nach Deutschland gesandt werden. Ziel war es, die gefangenen Skandinavier noch vor Ende des Krieges nach Schweden zu bringen. Das UD beauftragte Folke Bernadotte, zu Verhandlungen nach Berlin zu fliegen. Am 16.Februar fand die erste Reise, von insgesamt vier, nach Berlin statt. Zu Beginn traf Bernadotte den deutschen Außenminister Joachim von Rippentrop, den Leiter des Sicherheitsdienstes Ernst Kaltenbrunner sowie Himmlers Adjutant und zugleich Leiter des deutschen Nachrichtendienstes im Ausland, Walter Schellenberg. Am 19.Februar leitete Bernadotte die Verhandlungen mit Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, ein. Ziel war die Rückführung der in Deutschland internierten Norweger und Dänen. Himmler verweigerte dies anfangs, dann jedoch – mit Zuspitzung der Kriegslage - stimmte er einer Rotkreuz-Expedition zur Verlegung aller skandinavischen Häftlinge in das KZ Neuengamme in der Nähe zur dänischen Grenze zu. Er akzeptierte auch, dass in Schweden geborene deutsche Frauen mit ihren Kindern nach Schweden durften.

Streng geheim

Himmler bestand darauf, dass alle Abkommen in der Öffentlichkeit geheim blieben, sonst würden sie unverzüglich beendet werden. Hitler würde die schwedische Expedition sofort stoppen, sollte er davon erfahren.
Die Rettungsaktion lief nun an. Das schwedische Militär stellte Personal und Material zur Verfügung. Die Mannschaft wurde auf freiwilliger Basis unter den Berufssoldaten und den Wehrpflichtigen ausgehoben. Die Einberufung erfolgte am 8.März in der südschwedischen Garnison Hässleholm. Das Kommando bestand aus drei Krankentransportzügen mit jeweils 12 Bussen, einem Transportzug mit 12 Lastwagen, einem Intendantur-Zug sowie einem Tross mit Koch, Werkstätten- und Krankenpflege-Ausrüstung. Insgesamt 75 Fahrzeuge, davon 36 Busse mit einer Mannschaft von 250 Personen. Diese Anzahl entsprach den Abmachungen mit den Deutschen.

Über den Öresund

Zum Chef der Operation wurde Oberst Gottfrid Björk ernannt und mit dem Kommando folgte eine Rot-Kreuz-Delegation mit ca. 20 Personen, Ärzten und Krankenschwestern unter Leitung des Rote-Kreuz-Arztes G.A. Rundberg.
Die Fahrt von Hässleholm über den Öresund nach Malmö geschah in zwei Einheiten am 9.und 10.März. Vor der Abfahrt kam der Befehl vom Auswärtigen Amt Schwedens, dass die Fahrzeuge weiß, beidseitig mit einem roten Kreuz, auch auf dem Dach, angestrichen werden sollten. Dadurch sollten die Rot-Kreuz-Fahrzeuge von den Jagdflugzeugen der Alliierten leichter erkannt werden und unbehelligt bleiben. Die ganze Nacht wurden die Fahrzeuge umlackiert. Sämtliche Maler in Malmö waren damit beschäftigt, sogar noch auf der Fähre nach Kopenhagen.
Am 12.und 13.März traf die Expedition in der Operationsbasis Friedrichsruh bei Hamburg ein, wo der Einsatz detailliert festgelegt wurde. Zwei Tage später kam das Ausrüstungsschiff „Lillie Mathiesen“ von Schweden mit dem notwendigen Material nach Lübeck. In Deutschland gab es keinerlei Hilfe für die Expedition. Das Schiff war beladen mit Kraftstoff, Ersatzteilen, Lebensmitteln, Sanitätsmaterial und Rot-Kreuz-Paketen in großen Mengen. Lastwagen brachten alles im Pendelverkehr zum Hauptstützpunkt in Friedrichsruh.

Sachsenhausen

Abb. 10 PlanAm 15.März führte die erste Fahrt zum KZ Sachsenhausen, am 19.März fuhren zwei Kolonnen nach Süddeutschland. Ziel waren die Lager in Dachau, Mauthausen und Schömberg. Ende März waren ca. 3000 Skandinavier im KZ Neuengamme. Das Lager konnte nicht alle gefangenen Skandinavier aufnehmen, deshalb mussten einige Tausend anderer Gefangener in andere Lager überführt werden. Oberst Björk war deswegen sehr bedrückt und unglücklich, aber unter dem Gesichtspunkt, wie brutal die SS diese Transporte im andern Fall durchgeführt hätte, übernahmen dies die Schweden. Diese damals notwendige Maßnahme, so bitter sie für andere Häftlinge war, wurde später kritisiert und als Hilfestellung für den Gegner hingestellt. Aber die Hilfsaktion konnte nur unter diesen Bedingungen funktionieren und dadurch vielen anderen Gefangenen die Freiheit bringen.
Am 30.März wurden – wiederum aus Süddeutschland – internierte dänische Polizisten nach Neuengamme gebracht, insgesamt 1251 Gefangene. Die Transporte nach Neuengamme wurden in Stockholm als Teilziel angesehen. Man strebte danach, alle Dänen und Norweger nach Schweden zu bringen. Diesem Ziel hatte sich Himmler bislang widersetzt.

Hilfe aus Dänemark

Am 2.April 1945 trafen Bernadotte und Himmler sich wieder. Himmlers Wunsch war es, mit den Westmächten einen Separatfrieden zu schließen, hierbei sollte Bernadotte Vermittler sein. Himmler gab unterdessen die Erlaubnis, dass alle norwegischen und dänischen Frauen, alle kranken Skandinavier sowie norwegische Studenten aus Neuengamme nach Schweden gebracht werden durften. Ferner akzeptierte er, dass sämtliche internierten dänischen Polizisten von Neuengamme nach Dänemark überführt und dort freigelassen werden sollten.
Entsprechend den Plänen für die Aktion fuhr ein Teil des schwedischen Kommandos Anfang April nach Schweden zurück. Das übrige Personal mit Fahrzeugen, 130 Mann in zwei Gruppen mit jeweils zwölf Bussen, wurde unter Leitung von Major Sven Frykman, der jetzt Oberst Gottfrid Björk ablöste, umgruppiert. Um die Expedition auszuweiten, benötigte man mehr Hilfe und Material. Bernadotte nahm dankbar das Angebot über Verstärkung aus Dänemark an. Diese bestand aus 450 Personen, darunter zehn Ärzte und 16 Krankenschwestern, ferner 90 Bussen, zehn Krankenwagen, je fünf PKW und Motorräder.

Von Friedrichsruh

Am 12.April fuhren 13 schwedische Busse von Friedrichsruh ab, um skandinavische Juden aus Theresienstadt, nordwestlich von Prag, abzuholen. Auf dem Wege nach Theresienstadt nahm die Kolonne 400 Franzosen mit, die von den Deutschen aus Neuengamme freigelassen worden waren. Diese Franzosen sollten in Flossenburg abgeliefert werden, aber der dortige Kommandant lehnte das ab. Deshalb nahmen die Schweden sie mit nach Theresienstadt, von dort wurden sie später in die Schweiz befördert. In Theresienstadt holte man 423 dänische Juden ab. Sie wurden bis nach Kopenhagen gebracht und dort auf das Fährschiff nach Malmö. Leider gelang nur die Rettung von drei norwegischen Juden. Die meisten von ihnen waren unmittelbar nach ihrer Deportation in Auschwitz ermordet worden.

Die letzte Fahrt

Abb. 11 Rast Am 21.April traf Bernadotte erneut Himmler, um weitere Zugeständnisse zu erwirken. Er erhielt die Erlaubnis, alle Frauen aus Ravensbrück zu evakuieren. In der Nacht zwischen dem 23. und 24.April traf der Graf zum letzten Mal mit Himmler in Lübeck zusammen. Die Lage an der deutschen Front war jetzt äußerst kritisch. Die Alliierten brachen im Westen durch, und die Sowjets rückten im Osten weiter vor. Himmler begann in seinen Versuchen, mit den den Westmächten zu verhandeln, deperat zu werden. Er genehmigte Bernadotte, ohne Begrenzung alle Gefangenen wegzuschaffen. Als „Entgelt“ sollte dieser eine Botschaft an die schwedische Regierung vermitteln, zur Weiterleitung an General Eisenhower. Im Kern ging es Himmler um Verhandlungen über eine deutsche Kapitulation, jedoch nur an der Westfront.

In die Freiheit

Nach Ravensbrück fuhr eine erste Kolonne mit 15 Krankenwagen, um 200 schwer kranke Frauen zu holen, und eine zweite Kolonne mit 25 Bussen und LKW, um 786 Frauen in die Freiheit zu führen. Am Abend des 24.April kam eine Kolonne, geführt von Leutnant Hallquist, nach Ravensbrück. Hierbei wurden 706 Frauen verschiedener Nationalitäten nach Dänemark transportiert. Am selben Tag brachte eine andere dänische Krankenwagenkolonne 114 Frauen aus Ravensbrück, am Tag darauf 20 Busse mit 934 Insassen, davon ungefähr fünfzig Kinder.

Abb. 12 Konvoi Bereits am 24.April hatte man auf Grund der näher kommenden Kampfhandlungen das Hauptquartier von Friedrichsruh nach Padborg an die deutsch-dänische Grenze verlegt. Einige Tage danach wurden das Schloss und andere Bauten des Bismarck-Sitzes Friedrichsruh bombardiert. Das Kommando der Aktion „Weiße Busse“ wurde nun geteilt. Die eine Gruppe brachte Skandinavier aus den Lagern in Fröslev und Horsens nach Schweden, die andere Einheit hatte Lebensmittelvorräte und Kraftstoff nach Dänemark zu transportieren. Früh am Morgen des 28.April verließ die Kolonne Lübeck. Um neun Uhr am 1.Mai gelangte das erste schwedische Rot-Kreuz-Kommando nach Kopenhagen. Die Bevölkerung jubelte, als die Kolonne einfuhr. Die Menschen warfen Blumen und winkten mit Fahnen. Das ganze Kommando war am Abend des 1.Mai wieder im heimatlichen Malmö. Am folgenden Tag begab sich die Kolonne weiter zu ihren Verbänden zur Abrüstung und Abmusterung.
Die Expedition war beendet!

Die Aktion rettete etwa 15550 Menschen aus Konzentrationslagern. Ungefähr die Hälfte davon, rund 7800, waren Skandinavier, 6841 polnische Bürger. Wenigstens 4000 der Geretteten waren Juden.
Major Sven Frykman unterstrich in einem Interview im „Sydsvenska Dagbladet“am 5.Mai 1945 die „…außerordentliche Hilfe, welche das Kommando vom Roten Kreuz in Dänemark und von vielen Einwohnern erfuhr. Ohne dänische Hilfe wäre es nicht möglich gewesen, das Programm in vollem Umfang zu verwirklichen. Dieser Dank gelte besonders dafür, dass in aller Eile Busse und andere Fahrzeuge bereitgestellt wurden, da das schwedische Kommando zu klein war“.

Am 30. April 1945 beging Hitler Selbstmord. Am 7.Mai 1945 kapitulierte Deutschland, am 2.September 1945 Japan. Der zweite Weltkrieg war zu Ende.

Bus für Jerusalem

Die Militärbusse erhielten anstelle der weißen Farbe wieder ihre alten Tarnfarben und waren bis in die siebziger Jahre bei verschiedenen Verbänden in Betrieb. 1973 erfolgte bis auf wenige Fahrzeuge die Verschrottung. Der 1950 gegründete und 2005 aufgelöste Bernadotte-Verein hatte drei Busse gekauft und diese dem Roten Kreuz in Schweden, Norwegen und Dänemark geschenkt. 1983 fand man die Reste eines anderen Busses und 1990 einen weiteren, der auf Kosten von Volvo und Hägglund in Ordnung gebracht wurde. Dieser Bus wurde Israel geschenkt und steht heute im Yad-Vashem-Museum in Jerusalem. Von insgesamt fünf erhaltenen Bussen befinden sich zwei in Schweden. Für einen hat Volvo die Trägerschaft übernommen, während der andere im Nationalen Zentrum des Roten Kreuzes, dem „Haus der Humanität“ in Malmö, steht.
In diesem Haus wird in würdiger Weise das Andenken an die Weiße-Bus-Aktion bewahrt. Die 300 Freiwilligen handelten aus Menschlichkeit, aus Mitleid mit den KZ-Häftlingen, und sicher war auch etwas Abenteuerlust dabei. Die Lehre aus ihrem verantwortungsvollen Handeln ist, nirgends Unrecht, Schändungen und Diskriminierung zuzulassen. „Im Haus der Humanität knüpfen wir den Einsatz von gestern an unsere Zeit, Mut zu haben und Verantwortung zu übernehmen“ , so lautet die Mahnung und Verpflichtung in der Gedenkstätte Malmö.

Nachbemerkung: Vor 40 Jahren fand ich in einem Wald bei Neustrelitz drei schwedische Uniformknöpfe, von denen zwei im Laufe dieser langen Zeit abhanden kamen. Nur einer „überlebte“, weil ich ihn aus Sympathie zum friedlichen Schwedenland an meine Mütze genäht hatte - und weil mal ein mecklenburgischer Herzog König von Schweden war: Albrecht III. siegelte 1364 auch als erster mit dem Drei-Kronen-Wappen, dem heraldischen Merkmal unseres Uniformknopfes. Von diesem winzigen Relikt ausgehend, wurde dieser Beitrag eine ziemlich lange Geschichte, und ich habe meine Zweifel, ob das wegen eines „simplen“ Knopfes gerechtfertigt ist. Aber wer einmal anfängt, sich mit der Rettungsaktion des Grafen Folke Bernadotte zu beschäftigen, erliegt der Faszination dieses historischen Stoffes vom Ende des 2.Weltkrieges: Alle Schreibhemmungen lösen sich, es sammeln sich immer mehr Fakten an, die unbedingt genannt werden müssen. Der Leser verzeihe mir das. – Bestärkt wurde ich darin aber auch durch die Familienforscher der schwedischen „Föreningen G-Gruppen“, die mit großer Geduld alle Übersetzungen und Recherchen tätigten, vor allem Jürgen Weigle aus Spånga/Stockholm, und Gustav von Gertten. Iwa Sörenson, Stockholm, fertigte die Fotos vom Denkmal und „Weißen Bus“ in Malmö. Herzlich danke ich auch Astrid Allard und Birthe Müller vom „Haus der Humanität“ Malmö, die auf der Grundlage der Forschungen des Historikers Sune Persson die Rot-Kreuz-Broschüre herausgaben und die Erlaubnis zur Wiedergabe an dieser Stelle gaben.

Die weißen Busse haben Stade anscheinend nicht direkt berührt, wie es ein Routenplan für die Fahrzeugkolonnen annehmen lässt. Vielleicht ist dies aber eine Forschungslücke.
Die KZ-Gedenkstätte Neuengamme vermittelt auch zum Thema „Weiße Busse“ gründliches Wissen und lädt zu ein thematisch aktuellen Veranstaltungen.
www.kz-gedenkstaette-neuengamme.de/


Stand 2. Februar 2015.